Lesung: Mt13,1-23
Predigttext: Hiob14,1-17
Hiob ist am Boden. Er leidet vielfältig. Seine ganze Familie ist gestorben, seine Tiere, sein Haus, das Vermögen ist auch weg. Er klagt Gott an und drückt seine Enttäuschung, Ohnmacht und Leid aus.
Ja liebe Gemeinde. In der alttestamentlichen Weisheitsliteratur gibt es Platz nicht nur für Schönheit, und Sehnsucht um Nähe und Liebe zu erleben, wie im Hohelied, oder Platz für Weisheiten von Salomo, sondern auch für Trauer und Leid, Verzweiflung und Fragen.
Die Bibel spiegelt das Leben des Menschen wider, sowohl mit dem Schönsten und Schwersten.
Und gerade jetzt lesen wir über Hiob, der keine Hoffnung hat. Und drückt aus, wie Menschen vergehen, ohne Hoffnung.
Natürlich können manche auch fragen, passt es zu unserer christlichen Sicht, Leid und Trauer und Bitterkeit auszudrücken?
Ich glaube es muss in unserer Kultur und Gesellschaft auch solchen Gefühlen ein gewisser Raum gegeben werden. Dass wir auch über solche Gefühle, solche Ereignisse des Lebens sprechen können. Es soll kein Tabu sein, und nicht tief unterdrückt und verdrängt sein. Es scheint sogar heutzutage bewiesen zu sein, dass die Verdrängung negativer Gefühle mit einigen Krankheiten zusammenhängt.[1]
Einen anderen Blick auf diese Problematik möchte ich von einem berühmten ungarischen Dichter einholen, der in seinem Gedicht: Terek (Räume) aus dem Jahr 1974 die Hölle als einen Ort beschreibt, wo man nicht sprechen darf bzw. nicht sprechen kann. Demgegenüber ist der Himmel frei.[2]
Also hoffentlich können wir darüber sprechen, was mit uns als Einzelnen und als Gesellschaft los ist. Es ist heilsam.
Über die eigenen Sachen genauso wie über ethische Probleme heute, wie der Triage[3], Sterbehilfe oder das traurige Ereignis des Terroranschlags in Wien.
Es ist gut darüber zu reden miteinander, aber natürlich stellt sich die große Frage: Mit wem? Hiob klagt Gott an, aber spricht nicht nur zu ihm, sondern auch mit seinen Freunden. Elifas, Bildad, Zofar, und Elihu. Hiob hat auch Menschen neben ihm, mit denen er sprechen kann über seinen Zustand. Wo er seine Seele ausgießen kann. Auch wenn die Antworten von Freunden nicht immer am hilfreichsten sind.
Aber liebe Gemeinde, für mich ist es ein schönes Symbol, das auch zeigt, dass wir mit manchen Menschen eine vertrauliche Beziehung haben, sodass wir dann über unsere Sachen sprechen können. Ich hoffe, dass Christentum bietet auch solche Räume an. Räume, wo Menschen auch vertraulich sein können. Räume und Kultur des Glaubens, die uns in diese Richtungen formen. In die Richtung des gegenseitigen Vertrauens und Verantwortung.
Wenn wir dazu anknüpfend auf unsere Lesung schauen, dann merken wir das Gleichnis des Sämannes. Wo die Samen überall hingeworfen sind, und auf guten Boden wachsen sie heraus, und tragen ihre Früchte. Und so tragen wir sie auch. Je nach unserer Begabung. Es kann auch eine Frucht sein, dass andere uns vertrauen und auch umgekehrt.
Weil wir auch auf beiden Seiten in unserem Leben stehen können. Auf dem Boden, traurig und mit Klage, oder auf der anderen, wenn wir zuhören, wenn wir mit den anderen sprechen, weil wir für den anderen vertrauenswürdig sind.
Viele Früchte können wachsen in uns, und durch uns, aber ich will eine noch aufheben. Nämlich die Hoffnung. In unserem Predigttext lesen wir Hiobs Rede, ohne Hoffnung.
Ich will nicht spoilern liebe Gemeinde, aber einerseits am Ende des Hiob Buches wird die Lage anders sein. Und es lohnt sich das mal anzusehen.
Andererseits wusste Hiob damals noch nichts von Christus. Und über die Hoffnung durch die Auferstehung.
Aber wir heute schon. Wir wissen über Christus Bescheid, und was er getan hat. Welche Hoffnung er dem Menschen geschenkt hat. Und ich glaube, diese Hoffnung ermöglicht uns auch einen Raum des Vertrauens und Freiheit. Um sprechen zu können, und erhört zu werden. Amen.
[1] https://www.psychologie-aktuell.com/news/aktuelle-news-psychologie/news-lesen/die-macht-der-verdraengung.html 14.11.2020
[2] Pilinszky János: Terek In: Kráter, 1974-75, Pilinszky János összegyűjtött versei http://mek.oszk.hu/01000/01016/01016.htm#h3_170 14.11.2020
[3] Ulrich Körtner: Die ethischen Dilemmata der Triage https://science.orf.at/stories/3202857/ 14.11.2020